Ausstellung vom 20. Juli bis 1. November 2010 im Museum St. Ulrich, Domplatz 2
Walter Zacharias (geboren am 21. Oktober 1919, gestorben am 19. Juli 2000) gehörte zu den großen zeitgenössischen Künstlern Regensburgs. 1988 zeichnete ihn die Stadt mit dem Kulturpreis aus. Er setzte Zeichen. Seine Materialien waren Fundstücke, ob bäuerliches Gerät, Baumrinde und bizarr knorrige Wurzeln oder altes, beschriebenes Aktenmaterial im Fall der Collagen. Walter Zacharias inszenierte Mythen, gestaltete mit intuitiven Gespür für die Formen neue Einheiten, die Kunst und Natur wieder zu einem Ganzen werden lassen. Es sind die einfachen Dinge, die ihn faszinierten, die er in seiner ganz eigenen Komposition zu lebendigen und intensiven Sinnbildern werden ließ, die gegenwärtig sind und doch weit darüber hinaus reichen. Die Ausstellung zeigte eine Auswahl seines bildhauerischen Schaffens und seines reichen graphischen Werks.
Nach dem Studium an der Staatlichen Kunstakademie in München hatte seine Kunst aber erst einmal in den Hintergrund treten müssen. Mit 61 Jahren verließ Walter Zacharias dann den Chefsessel im Familienbetrieb. In einem Waldlerhaus im Bayerischen Wald und seinem Atelier in einem alten Holzstadel widmete er sich nun umso intensiver mit der lange in sich getragenen Kreativität Bildern und Plastiken. Es war sein Aufbruch zurück zu den Wurzeln, und das in ganz eigentlichem Sinne. Das Hauptwerk von Zacharias entstand in den letzten 20 Jahren seines Lebens. Mit zunehmenden Alter schuf er umso unermüdlicher, fügte er seiner Arbeit ständig neue Aspekte hinzu. Er wurde ein Künstler, der Zeichen setzt – an vielen Orten der Stadt, in Objekten mit den Spuren der Vergänglichkeit und dem kraftvollen Anspruch auf Gegenwärtigkeit.
Eine alte graue Tür, roh gezimmert, mit rostigen Beschlägen, einer bizarren, knorrigen Wurzel, schwarzen kalligraphischen Pinselspuren und einer roten Zeichnung des Auge Gottes: Kann das Kunst sein? Und wie findet ein Mann, der über Jahrzehnte ein Unternehmen geleitet und sich dem rationalen Zeitgeist gestellt hat, zu diesem Ausdruck? Wieso werden bäuerliches Gerät wie Rechen und Flachskamm, Axtkeil und Holzschemel zu seinen Materialien?
Walter Zacharias war ein Sammler. Alten Holz- und Kupferstichen von seiner Heimatstadt gehörte die Passion des Malers. Mit seinem Freund, dem Architekten Karl Schmid jun., war er quer durch Niederbayern und die Oberpfalz unterwegs. Bald kannten sie jeden Trödelkrämer. Zacharias trug alles zusammen, was in der Volkskunst von Frömmigkeit und Brauchtum erzählte, Votivtafeln und Hinterglasbilder, Klosterarbeiten, Talismane und Amulette, Fatschenkindl und Arma Christi-Kreuze, Andachtsbildchen und Wachsstöcke, Pilgerandenken und Holzmadonnen. Er sammelte historisches Aktenmaterial und antiquarische Bücher. Das alles war der großartige Fundus für seine Inspiration und Arbeit. Manches, was auf ländlichen Gehöften funktionslos geworden war, verloren gegangen, verfallen oder weggeworfen worden wäre, bekam der Künstler aus der Stadt, der während der Woche in seinem Büro saß und am Wochenende im Atelier stand. „Der Wald“ war nicht seine Heimat, und doch gehörte Walter Zacharias irgendwie dahin und dazu.
Holz war für ihn immer etwas Besonderes. Er las an seiner Maserung das Gewachsene, das Zeugnis der vergangenen Zeit. Was er daraus machte, war mehr als ein nostalgisches Spurensammeln und Arrangieren von Antiquitäten. Walter Zacharias inszenierte mit seinen archaischen Werken Ursprünglichkeit, gestaltete mit intuitivem Gespür für die Formen neue Einheiten, die Kunst und Natur wieder zu einem Ganzen werden lassen. Es waren die einfachen Dinge, die ihn faszinierten, die er in seinen ganz eigenen Anordnungen zu lebendigen und intensiven Sinnbildern werden ließ, die (an)fassbar sind und doch weit darüber hinaus reichen.
„Wenn ich ein Objekt bearbeite, dann müssen drei, vier oder fünf Formen so zueinander stimmen, dass sie eben eine neue Situation geben, und zwar nicht nur formal, sondern auch von der inneren Struktur her, von ihrer Ausstrahlungskraft“, beschrieb Zacharias selbst seinen Arbeitsprozess. Manchmal entstand die Idee schon beim Sehen eines Fundstücks, manchmal suchte er im Atelier in seinem Schatzhaufen von verbogenen Eisennägeln und groben Hanfschnüren, von Brettern mit abgeblätterten Farbresten und tief eingekerbten Stuhlbeinen, von geschliffenen Steinen und verwitterten Ästen nach dem fehlenden Stück der Komposition.
So blieb eine Tür eben nicht nur eine ramponierte Tür, sondern wurde gestaltet mit Zeichen und Versatzstücken des Gestern zu einer Pforte. Sie fordert den Betrachter heraus, sich die Welt dahinter vorzustellen. Eine Mistkralle, eine Heugabel werden zum abwehrenden Amulett, das dargestellte Auge schützt vor dem bösen Blick. Der Künstler spürte mit entschlossenem Pinselstrich von Generationen überkommenen Symbolen nach.
Walter Zacharias war ein religiöser Mensch. So verstand er sich selbst und daraus nahm er seine Gedanken. Er sah die Natur als Schöpfung, auch dort, wo sie von Menschen gestaltet war. Das Künstlerische und das Sakrale waren für ihn eins. So entstanden aus Hölzern und Fundstücken Gebilde, die in ihrer Struktur und Bildsprache an Marterl erinnern, an Heiligenbilder, Reliquien, Kreuze, Altäre. Er machte mit seinen Werken etwas Erahntes, Geistiges sichtbar und greifbar, gab scheinbar Unnützem und Verbrauchtem neue Lebenskraft. Im Vergehen von Dingen gibt es in seiner Kunst ein neues Werden.
Walter Zacharias besetzt in der zeitgenössischen Objektkunst eine eigene Position, nicht nur in der Region. Das ist viel, und doch lässt sich das Schaffen Zacharias’ nicht darauf reduzieren. Neben dem Bildhauer steht der Maler und Zeichner. Im Zusammenspiel seiner kreativen Kräfte entstand das Außergewöhnliche, Malerei auf Holz, mit Papiercollagen gestaltete Plastiken, mit Seilen verschnürte Buchobjekte. Die sanften Hügel des Bayerischen Waldes waren für ihn Körper, die sich in seinen Aquarellen hinstrecken. In seinen Papierarbeiten bewahrt er nicht einfach beschriebene Umschläge oder Registerblätter. Er setzte mit Tusche so akzentuiert einen Punkt, einen Strich, kontrastierte vergilbte Briefbögen mit einem Fotoausschnitt aus Hochglanzblättern, dass Alt und Neu scheinbar mühelos zusammenfließen zu einem spannenden Bild, das Ruhe ebenso wie Schönheit ausstrahlt. Seine Federzeichnungen zeigte Zacharias bei der Exhibition of International Calligraphers in Tokio. 1984 und 1989 erhielt er Preise des japanischen Außenministers für Kalligraphie.
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