Ignatius Caspar Bertholt, Rokokokelch, Augsburg 1766
Für das Team der Pfarreieninventarisation ist eine Kollegin in der Pfarr- und Stiftskirche St. Jakob in Straubing tätig. Bei der Erfassung des Kirchenschatzes ist ihr dieser prachtvolle Rokokokelch mit Emailmedaillons ins Auge gestochen. Auf Fuß und Cuppa sind zwischen getriebenen Rocaillen, Weintrauben und Kornähren jeweils drei kartuschenförmige Medaillons mit leuchtend farbigen Emailmalereien angebracht, die – eher selten zu finden – die Figur des hl. Joseph ins Zentrum rücken.
Eine Platte mit Chronogramm und punzierten Marken in der Fußunterseite verrät viel über die Herkunft des Kelches. Die Übersetzung aus dem Lateinischen lautet: Kelch zur Ehre des hl. Joseph, des Bräutigams der Gottesgebärerin. Die römischen Ziffern ergeben addiert die Jahreszahl 1766. Durch das Motiv der Zirbelnuss kann der untere Stempel als das Beschauzeichen der Stadt Augsburg, den Pyr, identifiziert werden. Der Jahresbuchstabe R verweist auf die Jahre 1765 bis 1767. Die Meistermarke am oberen Rand mit den Initialen ICB im Schild stammt von dem Goldschmied Ignatius Caspar Bertholt. Neben der Platte ist der zickzackförmige Tremolierstich (von italienisch „tremolo“ für Zittern) erkennbar. Um den Feingehalt des Silbers zu prüfen, hob der Beschaumeister mit einem flachen Spatel „wackelnd“ einen Span von der Oberfläche ab.
Der kostbare Kelch ist Zeugnis der überragenden handwerklich-künstlerischen Meisterschaft der Augsburger Goldschmiede und Emailmaler, die ihre Stadt ab dem 17. Jahrhundert zur führenden Goldschmiedemetropole Mittel- und Osteuropas für sakrale und höfische Kunst machten – und Aufträge für die Straubinger Stiftskirche wie für den Zarenhof in St. Petersburg erfüllten. (A-L. Kraemer)
Ignatius Caspar Bertholt, Rokokokelch, Augsburg 1766, vergoldetes Silber, Emailmalerei, Glassteine
Die Vermählung von Maria und Joseph | Die Glorifikation des hl. Joseph im Himmel |
Unterseite des Fußes mit Chronogramm, Marken und Tremolierstich | Meistermarke und Augsburger Beschauzeichen |
Fotos: Anna-Lena Kraemer