Heinrichsgewänder: Sog. schwarz-goldener Ornat, 2. Hälfte 14. Jahrhundert
Eines der internationalen Sahnestücke der Textilweberei ist wieder nach Regensburg zurückgekehrt. Im Zeitraum vom 12. Dezember 2021 bis 3. Mai 2022 war die Kasel aus dem schwarz-goldenen Ornat der Heinrichsgewänder in der Ausstellung „Staub & Seide. Steppen- und Seidenstraßen“ im Weltmuseum Wien zu sehen und somit seit mehr als 20 Jahren erstmalig wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Unser großer Dank gilt dem Kollegiatstift Alte Kapelle
als Leihgeber und den Mitarbeitenden des WMW, die dieses erstklassige Objekt mit großem Interesse und hervorragender Fachkompetenz betreut haben.
Die Kasel ist Teil von insgesamt sechs Gewändern, die zu den exquisitesten Textilien zählen, die das Mittelalter zu bieten hatte.
Im 15. Jahrhundert galten sie als Stiftung Kaiser Heinrichs II. (+ 1024), dem Erneuerer der Alten Kapelle, und waren als diese bei Heiltumsweisungen gezeigt worden. Heute geht man davon aus, dass die kostbaren Gewebe im 14. Jahrhundert über den Fernhandel nach Regensburg kamen und vor Ort zu den beiden Ornaten geschneidert wurden.
Die Gewebe, sog. Streifenbrokate, waren im Reich der mongolischen Ilkhane gefertigt worden. Deren Großreich erstreckte sich zwischen der Mitte des 13. und der Mitte des 14. Jahrhunderts über Persien und Mesopotamien sowie große Teile Zentralasiens und Anatoliens. Regionen, die zu dieser Zeit bereits seit Jahrtausenden besiedelt waren und blühende Hochkulturen hervorgebracht hatten. Auch das Ilkhanidenreich glich einem Schmelztiegel der Kulturen und Religionen, was die Motive des schwarz-goldenen Gewebes der Kasel widerspiegeln.
In den breiten Motivstreifen verheißen arabische Inschriften sprichwörtlichen Wohlstand, Ruhm, Freude und ein langes Leben, chinesische Motive aus dem Kanon der sog. „Acht Kostbarkeiten“ übersetzen diese bildlich (u. a. in Form der Doppelmünzen als Symbol des Wohlstands oder der wunscherfüllenden Perle). Drache und Fenghuang (Phönix) stammen ebenfalls aus China, sie gleichen Himmel und Erde, und die Mongolen brachten sie im 13. Jahrhundert nach Vorderasien.
Bildmotive indischer Religionen, wie die acht Embleme des Buddhismus, symbolisieren die Durchdringung aller Dinge (Ewiger Knoten), die vollkommene Reinheit des Göttlichen (Lotusblüte) oder die unablässige Bewegung der Schöpfung (Rad des Gesetzes). Sie wurden zwischen den Tierjagddarstellungen in den schmalen Borten abgebildet.
Die Übersetzung der Bildsprache ist noch nicht komplett, allerdings wird deutlich, mit welch zahlreichen guten Wünschen der Weber den Träger seiner Textilien überziehen wollte und diese gleichsam zu dessen Talisman machte. (Dr. Natalie Glas)
Heinrichsgewänder: Kasel vom Ornat I (sog. schwarz-goldener Ornat)
2. Hälfte 14. Jh.
Seidengewebe und Lederriemchengold, Streifenbrokat
Rückenhöhe 142 cm, Rückenbreite 102 cm
Leihgabe des Kollegiatsstifts Alte Kapelle
Inv. Nr. L 2019/0001.1