0941 / 597-2530 | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. | Obermünsterplatz 7 - 93047 Regensburg

Das MISEREOR-Hungertuch 2021 „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ von Lilian Moreno Sánchez © MISEREOR - © Härtl/MISEREOR

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“
MISEREOR-Hungertuch 2021/22 von Lilian Moreno Sánchez

Das bischöfliche Hilfswerk MISEREOR e.V. hat mit den Hungertüchern eine mittelalterliche Tradition wiederbelebt. Das Hungertuch (auch Fastentuch, Palmtuch, Passionstuch oder Schmachtlappen genannt) verhüllte früher in der Fastenzeit die bildlichen Darstellungen Jesu, in der Regel das Kruzifix. Seit 1976 ist das MISEREOR-Hungertuch ein zentraler Bestandteil

der MISEREOR-Fastenaktion. Jedes zweite Jahr werden Künstlerinnen und Künstler aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Deutschland zur Gestaltung eines Hungertuchs eingeladen.

Das aktuelle Hungertuch 2021/22 schuf die chilenische Künstlerin Lilian Moreno Sánchez. Es trägt den Titel „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ und knüpft an den 31. Psalm (Ps 31,9 siehe unten) an. In ihm wird zum Ausdruck gebracht, was im Glauben alles möglich ist. Die Metapher des Fußes lässt an Aufbruch, Bewegung und Veränderung denken. Das Bild des weiten Raumes ermutigt zu Visionen. Gott öffnet nicht nur einen weiten Horizont, er gibt auch festen Stand. In hoffnungslosen Situationen vermag er Auswege aufzuzeigen.

Als Grundlage ihres Bildes diente der Künstlerin das Röntgenbild eines mehrfach gebrochenen Fußes. Der Fuß gehört zu einem Menschen, der bei den Demonstrationen gegen soziale Ungerechtigkeit im Oktober 2019 in Santiago de Chile durch die Staatsgewalt schwer verletzt wurde.

Die Künstlerin legte ihr Hungertuch als Triptychon an. Auf drei Keilrahmen spannte sie eine ungewöhnliche „Leinwand“: Es handelt sich um Bettwäsche, die aus einem Krankenhaus und dem ehemaligen Kloster Beuerbach nahe München stammt. Damit möchte die Künstlerin die körperlichen und seelisch-spirituellen Aspekte von Krankheit und Heilung ansprechen. Auf dem „Platz der Würde“ in Santiago di Chile, auf dem die Demonstrationen stattfanden, hat sie Erde und Staub eingesammelt und auf den Stoff aufgebracht. Der legt sich in Falten, klafft auseinander und ist alles andere als glatt und makellos. Feine eingenähte Goldfäden halten ihn zusammen und stehen symbolisch für Wundnähte, wie sie nach dem Abheilen sichtbar bleiben.
Das Hungertuch ist in wenigen Farben gestaltet. Die schwarzen Linien des Röntgenbildes, mit Zeichenkohle aufgetragen, sowie der eingearbeitete Staub sprechen eine karge Bildsprache, die auf die Passion Christi und die Passionen der Menschen hinweist.
Im Gegensatz dazu stehen Gold und goldene Blumen, die das Muster der Laken aufnehmen, für das kostbare Leben, für Hoffnung und Liebe.

Die Devise ist, nicht im Leid zu verharren, sondern Auswege zu suchen. Die Linien des Röntgenbildes vermitteln auch Leichtigkeit, Bewegung, Veränderung. Das Leben ist ein Prozess, der immer weitergeht, wenn wir nur auf die Kraft des Wandels vertrauen.

Um es mit Lilian Moreno Sánchez zu sagen: „Eine andere Welt ist möglich. Diese Hoffnung möchte ich verbreiten.“

+++ Das Hungertuch ist im Rahmen der Ausstellung „Das originale Hungertuch: Du stellst meine Füße auf weiten Raum - Die Kraft des Wandels“ / Lilian Moreno Sánchez in Regensburg“ in der Regensburger Galerie St. Klara, Kapuzinergasse 11, vom 17. März bis 7. April 2022 zu sehen +++

Die Künstlerin
Die Künstlerin Lilian Moreno Sánchez wurde 1968 in Buin in Chile geboren. Sie studierte Bildende Kunst in Santiago de Chile. Mitte der Neunziger Jahre kam sie als Stipendiatin an die Akademie der Bildenden Künste in München. Seither lebt und arbeitet sie in Süddeutschland. Ihre Kunst kreist um den Menschen an sich, seine Gebrochenheit, sein Leiden und dessen Überwindung durch Solidarität. In ihren Arbeiten verarbeitet sie die Erfahrungen während der chilenischen Militärdiktatur.

Übrigens: „Am Hungertuch nagen“
Wer am Hungertuch nagt, muss sich sehr einschränken oder leidet große Not. Die Redewendung findet ihren Ursprung ungefähr im Jahr 1000 n. Chr. Damals wurde in der Fastenzeit ein Tuch (Hungertuch, auch Palmtuch oder Fastentuch) zur Verhüllung der bildlichen Darstellungen Jesu aufgehängt, oft trennte es den Altar- vom Kirchenraum ab.
Es ging um ein „Fasten der Augen“. Die Fastenzeit als eine Zeit der Abstinenz, in der es gilt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wurde als „Hungerzeit“ empfunden. So konnte sich bald die Bezeichnung „Hungertuch“ etablieren.
Anfangs waren die Hungertücher schlicht und einfarbig, mit der Zeit jedoch wurden sie kunstvoll mit Bildern aus der Bibel verziert. Aus dem Brauch, die Hungertücher in gemeinsamer Handarbeit zu fertigen, entstand zunächst die Redewendung „Am Hungertuch nähen“. Später wurde „nähen“ in „nagen“ umgewandelt.

Psalm 31
Gott, ich fühle mich bei dir geborgen.

Lass mich nicht allein!
Neige dein Ohr zu mir.
Höre mich!
Wenn um mich das Meer tobt, bist du mein Fels.
Wenn ich vom Sturm überrascht werde, bist du meine Burg.
Führe und leite mich auf meinen Wegen,
wenn es dunkel um mich ist!
Ich fühle mich wie in ein Netz verstrickt,
das plötzlich über mich geworfen wurde.
Hilf mir heraus, denn ich habe Angst!
Wenn Einsamkeit mich überfällt und ich mich gefangen fühle,
dann bist du doch da.
In deine Hände lege ich mich.
Ich vertraue darauf: Du lässt mich nicht fallen.
Du holst mich heraus aus meiner Machtlosigkeit.
Du stelltest meine Füße auf weiten Raum.
Du bist mein Gott!