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Ausstellung vom 23. März bis 6. Mai 2007
im Museum Obermünster

Der Hortus conclusus

Rauminstallation mit Holz- und Terrakottaskulpturen und Zeichnungen von Nele Ströbel - Fotografien von Ulrike Myrzik

Gegenwärtige Kunst, inspiriert von den spirituellen Gärten der Nonnenklöster, im Museum Obermünster, dem Ökonomiegebäude des ehemaligen Damenstifts: Die Ausstellung lud ein an einen Ort der Stille, um kontemplative Formen und Bilder neu zu erleben.


Mit ihren Raumformen entwirft die Münchner Bildhauerin Nele Ströbel einen aktuellen Hortus conclusus. Dieser besteht im Kern aus manuell bearbeiteten „Wandelhölzern“, Reliefen aus Burmesterkurvenmotiven. Die Fotografin Ulrike Myrzik bringt mit ihren Aufnahmen die verschiedenen Klostergärten und ihr Wesen in erzählerischer Bildsprache dem Betrachter nahe.

Auf der Suche nach dem „anderen Raum“ besuchten Nele Ströbel und Ulrike Myrzik zwischen Juli und Oktober 2006 die horti conclusi von 15 Frauenklöstern. Die historischen Klostergärten lagen meist im Klausurbereich. In Gesprächen mit den Ordensfrauen, über Fotografien, Zeichnungen und deren Umsetzung in plastische Arbeiten spürten sie den Fragen „Wie kann ein Ort Erinnerung speichern? Gibt es spezielle Maß- und Ordnungssysteme der umfriedeten Gärten? Wie kann Spiritualität im 21sten Jahrhundert gelebt und räumlich erfahren werden?“ nach. Die mit ausgestellten Einblicke und Eindrücke schlugen den Bogen zur zeitgenössischen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema.

Die starke Bildhaftigkeit des Begriffs „hortus conclusus“ als umfriedeter, aber nicht verschlossener Ort der Kontemplation außerhalb liturgischer Festlegungen übt eine große Faszination aus. Der Hortus conclusus als Raumbild kann eine lebendige Verbindung zwischen Tradition und Fortschritt erzeugen. Er verbindet Mariensymbolik und Paradiesvorstellungen in der Lebendigkeit der Natur an einem umfriedeten Ort. Diese Architektur hat weder Decke noch Dach. Sie ist „nach oben“ offen.

Der Hortus conclusus, der geschlossene Garten, ist ein wichtiges Zentrum im Kloster. Er steht auch heute noch für eine Vorstellung vom Paradies der Urzeit, die mit dem Paradies der Zwischenzeit, dem Aufenthaltsort der Gerechten – hier die Jungfrauen - und dem Paradies der Endzeit vereint ist. Aus einem Garten mit wirklichen, benennbaren Pflanzen, die vielfach selbst Symbolcharakter haben, wird ein geistiger Ort, in dem sich Maria mit dem Jesuskind und die Jungfrauen vergnügen. Gleichzeitig aber wird dieser Ort durch die Hinweise auf die Paradiese von Urzeit und Endzeit auf eine weitere geistige Ebene gehoben. Ein geistiger Raum wird zum Bild.

Weil das Wort Garten ebenso wie das Wort Paradies ursprünglich umzäunt, umhegt bedeutet, sind Garten und Paradies immer geschützte Bereiche wie die Kreuzgänge der mittelalterlichen Klöster, deren Form sich aus der Apokalypse des Johannes und damit vom endzeitlichen Paradies ableitet. Sie sind meist quadratisch, haben in der Mitte einen Brunnen, von dem in alle Himmelsrichtungen vier Wege abgehen. Angebaut sind die Kreuzgänge normalerweise an eine Kirche, die als Bau selbst ein Abbild des Himmlischen Jerusalem ist. Dieser Garten wird ebenfalls als Raum bezeichnet. Aufgebrochen hatten den festen Mauerring bereits die Brüder van Eyck in ihrem 1432 vollendeten berühmten Genter Altar. Sie haben die Anbetung des Lammes in die Natur verlegt. Eine Mauer ist nicht mehr nötig, weil das geistige Band die Teilnehmer stärker zusammenhält als alle realen Begrenzungsmauern.
Das Wort Kloster stammt vom lateinischen claustrum ab, was wiederum von claudere = schließen kommt. Die Klöster sind also selbst Horti conclusi.

Rechteckige oder quadratische Gärten, deren Fläche durch zwei senkrecht aufeinander stehende Wege in vier Areale geteilt wird – von der gestalteten Mitte aus gesehen also vier Wege ausgehen – gab es bereits im alten Persien. Gemäß der orientalischen Denkweise bedeuten die vier Wege die Paradiesflüsse Euphrat, Tigris, Gichon und Pison. Die Vier kann noch für vieles stehen wie die Kontinente Europa, Afrika, Amerika und Asien oder die vier Winde – Vorstellungen, die sich auf die Welt beziehen. Allgemeiner können die vier Temperamente, die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft, Erde oder die vier Grundfarben gemeint sein. Symbolische Zuweisungen haben die Eigenschaft unendlich fortsetzbar zu sein.
In Beschränkung auf das Wesentliche der christlichen Symbolik zitieren die sich überschneidenden Wege das Kreuz und damit die Welt, die runde Form in der Mitte, der ein Kreis zugrunde liegt, das Allumfassende. Der Gegensatz Gott, der im Himmel über diesem offenen Raum gedacht wird, und Welt ist thematisiert. Bei der Bepflanzung handelt es sich vornehmlich um schlichte Grasflächen, da das Paradies nicht vom Menschen nachgeahmt werden kann. Der Gegensatz vom Dunkel des Kreuzgangs zum Licht des Gartens gehört in diesen Deutungszusammenhang.

NELE STRÖBEL M.A.: Studium der keramischen Plastik und Bildhauerei an der Hochschule für Angewandte Kunst Wien, Diplom Magister Artium. Gastprofessuren in Berlin und München. Zahlreiche Einzelausstellungen und künstlerische Raumarbeiten im architektonischen Kontext. Ist in Kunstsammlungen im In- und Ausland vertreten. Projektpublikationen u.a. spacework-urbanwork, 1998. reparaturen der welt, 2002. imbenge dreamhouse, 2005. Lebt und arbeitet in München.
www.nele-stroebel.de

ULRIKE MYRZIK: Studium der Fotografie an der Fachakademie in München, arbeitet seit 1993 im Team mit Manfred Jarisch. Diverse Reisen und freie Fotoprojekte mit Schwerpunkt Architektur und Reportage, seit 1995 Auftragsarbeiten für Magazine und Werbeagenturen. 2004 Förderpreis der Stadt München.

Zur Ausstellung ist ein Themenband erschienen:
Nele Ströbel • Walter Zahner (Hrsg.) HORTUS CONCLUSUS
Deutscher Kunstverlag München Berlin
ISBN 978-3-422-06658-8