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Ausstellung vom 28. Mai bis 24. August 2003 im Museum Obermünster, Emmeramsplatz 1

1803 Die gelehrten Mönche

Sonntag, 23. April 1809: Napoleon und seine Truppen beschießen Regensburg. "Den ganzen Tag Kanonade, die ganze Nacht Feuersbrunst - Stadtamhof und Regensburg stehen in hellen Flammen. Dadurch verstärkter Nordwind." Der Mönch Placidus Heinrich notiert wie jeden Tag seit 1774 in St. Emmeram, Außenstelle des ersten meteorologischen Beobachtungsnetzes der Welt, gewissenhaft den herrschenden Luftdruck, Windstärke und Temperatur.

Den kriegerischen Angriff erwähnt er nur in einer Fußnote. So reduziert der Forscherblick selbst Weltgeschichte zur atmosphärischen Turbulenz. Ein Jahr später fegt der Sturm der Säkularisation auch über Regensburg. Die Klöster, Stätten der Gelehrsamkeit, werden aufgehoben, die forschenden Ordensmänner müssen gehen. "1803 - Die gelehrten Mönche und das Ende einer 1000-jährigen Tradition": Unter diesem Titel erinnerte das Museum Obermünster vom 28. Mai bis 7. September 2003, 200 Jahre nach den umstürzenden Ereignissen, an das Leben und Wirken der neugierigen Klosterbrüder, die der modernen Wissenschaft den Weg bereiteten.Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, der die Aufhebung der geistlichen Fürstentümer verfügte, bot den Landesherren in § 35 auch die rechtliche Handhabe zur Klostersäkularisation. Bereits im Januar 1802 bestellte Kurfürst Max IV. Joseph eine "Spezialkommission für Klostersachen", die noch im Verlauf dieses Jahres alle Bettelordensklöster aufzulösen hatte. Soweit die Mönche nicht in den Weltpriesterstand übertraten, wurden sie in sogenannten Zentralklöstern ihres Ordens zusammengepfercht, in "Crepieranstalten für die halsstarrigen klostertreuen Individuen", wie ein Säkularisationskommissar den eigentlichen Zweck dieser Einrichtungen drastisch formuliert hat. Im Bistum Regensburg fielen der Säkularisation der Jahre 1802/03 weit über 50 Frauen- und Männerkonvente zum Opfer.

In der Stadt Regensburg hielt zunächst noch Kurfürst Carl Theodor von Dalberg seine schützende Hand über die kirchlichen Einrichtungen. Als hervorragender Diplomat bemühte sich Erzbischof Dalberg um eine kirchliche Neuordnung Deutschlands auf reichsgesetzlicher Grundlage. Seine Verhandlungen mit dem französischen Kaiser und Papst Pius VII. waren aber letztlich zum Scheitern verurteilt. 1806 löste sich der Reichstag in Regensburg auf, das 1000-jährige Heilige Römische Reich sank dahin. 1810 übergab Napoleon das Fürstentum Regensburg an das Königreich Bayern. Der raue kirchenpolitische Wind, wie er im Bayern Montgelas´ blies, wehte nun auch der Bevölkerung Regensburgs entgegen. Die Klöster wurden auch hier säkularisiert, religiöses Brauchtum abgeschafft, Bücher und Kunstgegenstände nach München gebracht.

Die Säkularisation traf keine morschen Einrichtungen, sondern in ihrer überwiegenden Zahl wirtschaftlich und kulturell blühende Zentren ihrer Umgebung. Die Klöster waren über Jahrhunderte Stätten herausragender Gelehrsamkeit. So schreibt der große Aufklärer Friedrich Nicolai 1783 über seinen Besuch in Regensburg: "Die berühmte Abtey St. Emmeram zog besonders meine Aufmerksamkeit an sich. Ich ward dem Fürsten Abte Frobenius, so den Gelehrten durch seine trefliche Ausgabe der Werke Alkuins bekannt ist, vorgestellt, der uns aufs leutseligste empfing. Der P. Coelestin Steiglehner, Professor der Philosophie, zeigte uns das Museum. Ich habe selten einen Mann gesehen, der so sehr viele Wissenschaften und Kenntnisse zusammen besitzt, und es doch so wenig merken lässet." Die Mönche schauten nicht nur im Glauben zum Himmel. Mit dem Spiegelteleskop verfolgten sie den Lauf der Planeten. Sie studierten und vermaßen, beobachteten und experimentierten. In ihren Kabinetten und Laboratorien standen Elektrisiermaschinen und Brennlinsen, Vakuumpumpen und ballistische Geräte.

Globus - anklicken zum VergrößernAll das gab es im Museum Obermünster bei der Ausstellung "1803 - Die gelehrten Mönche" zu sehen: Die originale Instrumentensammlung des Klosters St. Emmeram aus dem 18. Jahrhundert. Und vieles mehr: Ein Globenpaar von 1696, das erst im Frühjahr 2003 wieder entdeckt worden war, wertvolle Schriften aus Klosterbibliotheken, Graphiken aus dem Kloster Prüfening, die seit der Säkularisation in Münchner Magazinen liegen, Wetteraufzeichnungen, Briefe und Urkunden, die von den Wochen erzählen, als die Reichsstadt Regensburg von der Weltbühne abtrat. Das universale Wissen der Ordensmänner in den Benediktinerklöstern St. Emmeram, St. Jakob, St. Georg in Prüfening, St. Peter und Paul in Oberalteich, St. Jakobus d. Ä. in Ensdorf und St. Georg in Weltenburg wurde für 3500 Besucher noch einmal lebendig - von Astronomie, Experimentalphysik und Mathematik über Theologie und Literatur bis zur Musik. Die Ausstellung zeigte eine Kulturgeschichte des Wissens aus einer Zeit, als die Klöster daran wesentlichen Anteil hatten. Sie lud ein zu einer Begegnung mit den forschenden Mönchen, den letzten Universalgelehrten, und zu einer spannenden Spurensuche nach Gott und der Welt.

Das Begleitheft zur Ausstellung, erschienen im Verlag Schnell und Steiner (ISBN 3-7954-1587-X) mit der Geschichte der Klöster und Biographien der forschenden Mönche können Sie im Museumsshop bestellen.