Raoul Kaufer (*1957)
Hochgebirge
Der Regensburger Künstler Raoul Kaufer übersetzt mit der Rauminstallation „Hochgebirge“ die Leidensgeschichte von Flüchtlingen in eine künstlerisch-abstrakte Darstellung.
Die Leiter als Symbol für die Verbindung von Himmel und Erde, für den Übergang in eine andere Welt, in eine höhere Sphäre, als Zeichen des Aufstiegs und der Entwicklung, steht stellvertretend für die Hoffnung der Flüchtlinge auf ein besseres Leben. Die Sprossen, die der Mensch nur alleine erklimmen und herabsteigen kann, stehen zugleich für die Alleingelassenheit der Reisenden, die ihren Weg auf sich allein gestellt bewältigen müssen. Mit Wasser gefüllte Bottiche lassen an die lebensgefährlichen „Nussschalen“ afrikanischer Flüchtlinge denken, mit denen das Mittelmeer überquert werden soll.
Kaufers Installation meint allerdings nicht eine bestimmte politische Flüchtlingskonstellation, sondern das Flüchtlingsdasein im Allgemeinen. Der Titel „Hochgebirge“ spielt auch nicht auf eine konkrete geographische Situation an, sondern bezieht sich auf die Strapazen des Flüchtlingsdaseins. Auch der Bergsteiger hat ein fernes Ziel, den Gipfel, vor Augen, muss aber bis zu seinem Erreichen Gefahren überwinden.
Die Bottiche sind mit Wasser gefüllt, scheinen Leck geschlagen zu haben. Wasser als Quell des Lebens wird im Kontext der Flucht Spiegelbild der Zerstörung und des Todes. Die Hoffung begegnet der Naturgewalt, der zerstörerischen Kraft des Meeres. Die Leiter wirkt hier wie ein Rettungsweg, der aus der Gefahr führt, aber nicht jeden retten wird. Ein Blick in die Bottiche offenbart eine weitere Perspektive: Durch ihre Spiegelung in der Wasseroberfläche erhalten die Leitern eine bedrohliche Doppelrolle. Sie führen nicht nur nach oben, sondern auch hinab in die Tiefe.
Der Parcours endet im Blättermeer aus Genfer Flüchtlingskonvention, EU-Richtlinien, Verwaltungsvorschriften und Gesetzen. Repräsentativ stehen diese Texte für eine auf Normen ruhende Gesellschaft, deren humanistische Ideale in Bürokratie und im Vorschriftenwust unterzugehen drohen. Der Betrachter kann die Ratlosigkeit und die Frustration der Migranten nachvollziehen. Sie sehen sich nun den Gefahren eines neuen Meeres aus Paragraphen gegenüber. Gesetze und Vorschriften sollen für Gerechtigkeit sorgen, sind ein Weg zu retten und zu helfen, sie beinhalten aber auch viele Restriktionen, die die gesellschaftliche Wertedebatte in der Flüchtlings- und Zuwanderungsfrage zu keinem Ende kommen lassen.
Julia Speierer
Hochgebirge
2015
6 Aluleitern unterschiedlicher Höhe, 6 Kunststoffwannen unterschiedlicher Größe, 400 Liter Wasser, 13 Fotokopien juristischer Texte
ca. 3 m x ca. 2,50 m x ca. 7 m
zu sehen in der Ausstellung "Ich bin da. Künstlerische Perspektiven zum Thema Flucht" ab 12. Juni im ehemaligen Kloster St. Klara