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© Julian Sagert

"Künstlerisch suche ich nach Verbindungen zwischen der Natur und dem Menschen – die Grenzen zu spirituellen Fragen sind dabei fließend. Der sensuelle Umgang mit Materialien wie Papier, Blütenstaub, Wachs, Ton, Gips oder Bronze sind für mich Wege des intuitiven Forschens. Ich arbeite bevorzugt mit vorgefundenen Strukturen / Materialien aus der Umwelt, welche ich abforme, vergrößere, zerfallen lasse, einfärbe. Dieses Vorgehen hat für mich auch eine spirituelle Dimension – Schönheit ist vielfach im Vorborgenen angelegt und in meiner Arbeit versuche ich, einen Zugang zu schaffen. Eine wichtige Inspirationsquelle sind für mich Texte und Bildtechniken aus anderen Disziplinen wie Theologie, Geografie oder Medizin.“ (Julian Sagert)


Das unsichtbar an der Wand befestigte Objekt mit den Holzstrukturen lässt zuerst
an ein Fundstück aus dem Wald denken, an ein „object trouvé“, das weiß angemalt
worden ist. Seine schwebende Position und die gerundeten Formen geben ihm
etwas Engelhaftes, ja Transzendentes.
Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass das Objekt aus einer Art
Papiermaché geformt ist und hinten als Stabilisierung mit Gipsmullbinden
angestrichen ist, die nun eine Art Mantel bilden. Das Objekt stellt damit eine
Abbildung von einer Stelle am Baumstamm dar, an der durch höhere Gewalt ein
Ast abgebrochen ist. Es ist das Negativ, das durch einen temporären Verband der
verletzten Stelle entstanden ist. Es ist das Resultat der künstlerischen
Aufmerksamkeit, die bei einem Spaziergang die schwarze Stelle an einem vom
Blitz getroffenen Ahorn entdeckt hat und der Vision, dass an diesem Ort etwas
Neues entstehen kann.
Umgeben von den engen Baumringen erhält die Mitte der Skulptur eine Aura,
welche die zentrale Hervorhebung verstärkt und dem Betrachter entgegenhält. So
als solle auch er durch die vom Blitz getroffene Stelle berührt werden.
Vergegenwärtigt man sich die Gegenüberstellung, erfährt man sich als Betrachter
plötzlich in der Position des Baumes. Man wird selbst zum Betroffenen und kann
seiner eigenen „Blitzeinschläge“ und Verletzungen gewahr werden.
Das Negativ der Brandwunde ist durch die weiße Farbe transzendiert, der Verlust
des Astes hat durch die künstlerische „Verarztung“ der verletzten Stelle ein neues
Gegenüber erhalten. Beide bringen eine heilsame Aufmerksamkeit zum Ausdruck,
welche die Situation des Ahorns übersteigt. Die skulpturale Abbildung erinnert an
Berührungsreliquien in der Katholischen Kirche, an Gegenstände, die mit dem
Heiligen in Berührung kamen oder gekommen sein sollen. Diese Arbeit ist insofern
mit dem Heiligen in Berührung gekommen, als Blitze auf Grund ihrer Stärke und
Schnelligkeit unberührbar sind und nur über die Einschlagstelle und Verletzung die
unfassbare Kraft berührt werden kann. So kann das Kunstwerk als
„Berührungsreliquie“ bezeichnet werden, weil es einerseits die Naturgewalt spüren
lässt, andererseits die heilsame Kraft der Aufmerksamkeit und Zuwendung. Beides
lässt uns auf je eigene Weise die Größe Gottes und seine Gegenwart unter uns
spüren.  (Patrik Scherrer, 08.12.2018, www.bildimpuls.de)

58 x 112 x 1 cm
Papierabformung eines vom Blitz gespaltenen Baumes
2018
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